Atomkraft – ja gern oder nein danke?
Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch, in einer Gesundheitsprojektwoche ein Kernkraftwerk zu besuchen. Doch man merkt rasch, dass das bestens passt, geht es doch auch hier um ein gesundes Leben in Wohlfahrt und Zufriedenheit. Und dazu gehört in der heutigen digitalisierten Welt auf jeden Fall auch Strom. Doch wie wird dieser Strom erzeugt? Und welche gesundheitlichen Risiken birgt die Stromgewinnung durch ein Atomkraftwerk bzw. der dadurch entstehende Abfall? Wir machten uns auf Spurensuche.
Eines der Module der Gesundheitswoche war ein Besuch im Kernkraftwerk Leibstadt (KKL). Unter anderem beschreibt Elina aus der AGM, was sie bei dieser Exkursion erlebt und gelernt hat. Nach einem offerierten Lunch wurde uns als Einstieg im Auditorium der informative Film «Vom Uran zum Strom», über das KKL selbst und vor allem über eine Reise an den Ursprungsort dieser einzigartigen Energiequelle gezeigt. Es wurde uns bewusst, wie viel und wofür alles wir Strom brauchen – jeden Tag. Das KKL hat seit seiner Inbetriebnahme 300 Terawattstunden Strom bzw. 300 Milliarden KWh insgesamt produziert. Eine solche riesige Strommenge kann man sich schwer vorstellen. Den Schweizer Strom-Mix konnten wir auf spielerische Weise kennenlernen. Woher kommt der Strom in der Schweiz und können wir diesen auch speichern? Was sind die Vor- und Nachteile der verschiedenen Stromproduktionsarten? Wer wollte, konnte später bei einem interaktiven Spiel versuchen, den optimalen Strommix für einen ganzen Tag zu finden.
Wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, um uns die verschiedenen Modelle des Informationszentrums anzusehen. Da genau in der Zeit unseres Besuchs die einmonatige Jahresrevision mit sage und schreibe über 1000 zusätzlichen Mitarbeitenden stattfand, durften wir leider nicht aufs Gelände. Allerdings konnten wir dank einem virtuellen Zutritt ins Reaktorgebäude den Austausch der Reaktoren mit Blick ins Wasser des Reaktorbeckens und auf das Brennelementlagerbecken hautnah miterleben, was uns sehr beeindruckte.
Uns wurden im Infozentrum verschiedene Anlagemodelle gezeigt und erklärt. Ausführlich wurden uns das Reaktorgebäude mit dem Reaktor und dem Reaktordruckbehälter, den Brennelementen und Brennstäben sowie der Kühlturm erklärt. Und noch etwas besonders Überraschendes hat es am Kühlturm: ein Wanderfalkennest! Jedes Jahr im Frühling brütet ein Falkenpärchen seine Eier aus. Praktisch jedes Jahr werden im Horst auf 98 m am 144 m hohen Kühlturm Wanderfalken-Küken geboren! Welch’ schöne Geschichte!
Strahlung oder Radioaktivität wird im ersten Moment oft mit grossem Unbehagen verbunden. Doch wir haben gelernt, dass sie etwas Natürliches ist und es sie überall gibt, in den Bergen, in den Gesteinen im Untergrund oder auch in unserer Nahrungskette. Würden wir jeden Tag eine Banane essen, gäbe das für unseren Körper auch eine Strahlenbelastung. Obwohl die Strahlen unsichtbar sind, wurden die Alpha-, Beta- und Gammastrahlen für uns sichtbar gemacht und gezeigt. Das war ausserordentlich eindrücklich. Zu unseren Gesundheitsthemen passte auch das Thema Entsorgung und Tiefenlagerung. Auf einer virtuellen Reise entdeckten wir mit 3D-Brillen das Tiefenlager der Zukunft und haben erfahren, was mit den radioaktiven Abfällen geschieht. Uns wurde der Weg vom Kraftwerk über das Zwischenlager bis hin zur geplanten Tiefenlagerung gezeigt.
Der exakt nachgebaute Kommandoraum, in dem trainiert wird, entspricht 1 : 1 dem echten, rund um die Uhr beaufsichtigten Kommandoraum, in dem langjährig ausgebildete Operateure die Kernanlage steuern. Die Operateure werden vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) geprüft und müssen jährlich ihre Lizenz erneuern. Das und alle anderen extremen baulichen und organisatorischen Vorschriften und Sicherheitsmassnahmen lassen – mindestens aus heutiger Sicht – absolut keine Sicherheitslücken zu. Das bedeutet, dass man keine gesundheitlichen Bedenken haben muss oder müsste! Dennoch gibt es wohl – wie nirgends – eine Garantie. Wir haben auf dieser Exkursion sehr viel gelernt, aber auch gemerkt, dass wir vieles noch nicht wissen. Sicher ein guter Grund, um sich noch vertiefter mit der Materie zu befassen und sich seine eigene Meinung zu bilden, um sich entscheiden zu können: Atomkraft – ja gern oder nein danke!